Quadraturen IIIb - Guten Abend bei der Zeit im Bild

Beschreibung
"Die Quadraturen III sind, im Gegensatz zu den (inzwischen) abgeschlossenen Quadraturen I, II, IV und V, ein offenes Werk,
oder selbst eine Serie in der Serie. Die beiden bereits feriggestellten Stücke daraus beschäftigen sich, wie alle, die
noch folgen sollen, mit der Wiedergabe von konkreten Klängen, Umweltgeräuschen, Sprache, durch ein computergesteuertes
Klavier. Eine wirklich schallrealistische Wiedergabe etwa von Sprache durch ein Klavier ist unmöglich. Und doch: es ist wie
bei diesen 3-D-Bildern, wo man zuerst nur ein ornamentales Bild vor sich hat, aber schließlich, und mit etwas Übung, einen konkreten Gegenstand darin erkennen kann. Genauso ist es mit dem Klavier in diesem Stück: man hört entweder ein Klavier-Ornament, - oder man versteht plötzlich einen Satz!

Das Klavier spricht zu Ihnen!

Um das Einüben in diese Hörweise zu erleichtern, greifen die beiden ersten Studien auf Material zurück, das – in Österreich – einen gewissen Bekanntheitsgrad aufweist...

Das zweite Stück dauert etwa 12 Minuten und verwendet Material aus der allabendlichen Nachrichtensendung "Zeit im Bild". Es beginnt mit einer Introduktion, in der 8 mal dieselben 2 Sekunden Gegenstand der Reproduktion sind, und zwar in immer größerer Auflösung: Beim ersten Mal sind es nur 2 Akkorde, und bei der 8. Wiederholung ist man bei der Fast-Verständlichkeit angelangt: "Guten Abend bei der Zeit im Bild". Es folgt ein knapp 4-minütiges Nachrichtenresponorium aus Männer- und Frauenstimmen, beginnend mit: "Die israelische Armee hat heute die Stadt Rammallah im Westjordanland besetzt..." Alles in hoher Auflösung; immer wieder dringen Worte, wie "Uno-Generalsekretär Annan" oder "Palistinenserführer Arafat" nahe an die Verständlichkeit heran. Der dritte Abschnitt des Stückes schließlich wiederholt 8 mal einen Abschnitt von einer Minute, der u.a. die Zeit-im-Bild-Eröffnungsmelodie enthält, und genau mit dem bereits gehörten "Guten Abend bei der Zeit im Bild" endet – wieder in denselben 8 Stufen zunehmend dichter werdender Rasterung, die gewissermaßen zwischen Klavierklang und Sprache, zwischen "Musik" und "Wirklichkeit" vermitteln."
Peter Ablinger, Werkbeschreibung, Homepage des Komponisten, abgerufen am 11.06.2025 [https://ablinger.mur.at/docs/qu3dt.pdf]

"Eine Sequenz von immer enger gerasterten Versionen ein und desselben Fragments, die dessen akustische Konstitution beleuchten und dabei verborgene harmonische Qualitäten freilegen. Statt Variation oder Thema gibt es lediglich immer dichtere, „präzisere“ „Klangbeschreibungen“ des Gleichen. In diesem Verdichtungsprozess entsteht der irritierende Eindruck eines Accelerandos, als werde das Ausgangsmaterial kontinuierlich beschleunigt – ein Effekt, der gewöhnlich beim schnellen Abspielen von Tonaufnahmen eintritt. In Wahrheit werden die Abschnitte nicht kürzer, die Zeit nicht komprimiert, sondern die das Ausgangsmaterial strukturierenden Raster verkleinert. Dies erzeugt ein paradoxes statisches Accelerando, das die traditionelle Hörerwartung verwirrt."
(Aus: Chico Mello "Mimesis und musikalische Konstruktion", Shaker Verlag, Aachen 2010), Homepage des Komponisten, abgerufen am 11.06.2025 [https://ablinger.mur.at/docu11.html#qu3]

Weitere Informationen: ablinger.mur.at

Uraufführung
2002 - Wien, Großer Sendesaal